Digital und analog im Doppelpack: Hybride Veranstaltungsformate werden immer beliebter

Der Bundesverband Windenergie e. V. startet seine Webakademie, Tesvolt stellt seine Roadshow auf Webinare um: Die Einschränkungen im öffentlichen Leben zwingen auch Unternehmen und Veranstalter aus der Energiebranche auf Angebote im Internet zu setzen. Wie nehmen ihre Kunden die Änderungen an? Und welche langfristigen Konsequenzen sind abzusehen?

Virtueller Check-In beim Online-Symposium Solarthermie und innovative Wärmesysteme 2020
Andrea Heidloff, Projektleiterin bei Conexio, am virtuellen Check-In beim Online-Symposium Solarthermie und innovative Wärmesysteme 2020 (Bildquelle: CONEXIO)

Die Branche der erneuerbaren Energien steht vor einer ganzen Reihe von Herausforderungen. Zu den teilweise schwierigen Rahmenbedingungen und den Widerständen seitens der Politik kommt jetzt noch die Corona-Pandemie. Denn unabhängig von der derzeitigen Krise sind alle Akteure in der Energiebranche weiter auf den Austausch mit Experten angewiesen und der erfolgte bisher vor allem im persönlichen Kontakt.

Viele Unternehmen und Verbände der erneuerbaren Energien sind deswegen auf Webangebote umgestiegen. Mit Webinaren, digitalen Konferenzen und Kundenterminen kommen sie, trotz Einschränkungen im öffentlichen Leben, den Bedürfnissen von Verbandsmitgliedern oder Kunden nach. Die neuen Formate und Instrumente haben aber noch zusätzliche Vorteile. Denn in vielen Fällen garantieren sie eine einfache Nachbereitung, wenn der Kunde auf eine Aufzeichnung zugreifen kann. Außerdem gibt es einen positiven Nebeneffekt für das Klima: Digitale Veranstaltungen reduzieren das Reiseaufkommen erheblich und damit den CO2-Ausstoß.

 

Vorteile der digitalen Formate

So stellte das Deutsch-französische Büro für die Energiewende (DFBEW) seine Konferenz „Wertschöpfungsketten der Energiewende“ Ende März kurzfristig auf ein reines Remote-Format um. Die Teilnehmerzahl ging nicht zurück. Der Verein konnte sogar mit Hilfe der spezialisierten Konferenzsoftware Kudo wie geplant die Vorträge simultan übersetzen.

Im Fall der Konferenz „Landwirte als Akteure der Energiewende“ Anfang April erwies sich die Umstellung sogar als ein Gewinn. Landwirte haben im Frühjahr mit der Aussaat alle Hände voll zu tun. Sie haben eigentlich keine Zeit, zu Konferenzen zu fahren. Das digitale Angebot ermöglicht es Bauern dagegen, auf ihren Höfen die Konferenz zu verfolgen. Das Ergebnis: Der Veranstalter verdoppelte die Teilnehmerzahl im Jahr 2020 im Vergleich zum Vorjahr.

Der Bundesverband Windenergie e. V. (BWE) bot bereits vor der Corona-Krise Webinare an. Im Zuge der Einschränkungen im öffentlichen Leben hat der Verband sein Angebot zusätzlich um Webpraxistage und Webevents zu einer BWE Webakademie erweitert . Die Mitglieder zeigen großes Interesse an dem zusätzlichen Weiterbildungs- und Informationsangebot. Daher plant der Verband die Webakademie zu einem festen Bestandteil seines Programms zu machen.

 

Wie reagieren Unternehmen? Tesvolt und Conexio

Unternehmen sind in einer deutlich schwierigeren Situation als Verbände, weil sie besonders auf die Wirtschaftlichkeit ihrer Maßnahmen achten müssen. Tesvolt plante auf einer Roadshow in Deutschland und Europa Installateuren seine neuen Speicherprodukte vorzustellen. Angesichts der europaweiten Einschränkungen passte das Unternehmen sein Programm zügig auf Webinare an – mit Erfolg. Die Teilnehmerzahlen blieben stabil. Die Verantwortlichen von Tesvolt und die Installateure sind sich einig, dass die Qualität der Webinare den Roadshow-Terminen vor Ort in nichts nachsteht. Es gibt sogar Vorteile: An den Veranstaltungen konnten mehr Interessenten teilnehmen, während die Vor-Ort-Termine auf eine Personenzahl begrenzt waren. Es waren zudem Kunden aus Regionen dabei, in denen keine Roadshow-Treffen geplant waren.

Darüber hinaus hat Tesvolt zusätzliche Chancen genutzt, die die Umstellung bietet. Die Verantwortlichen haben den ganztägigen Roadshow-Termin für das Webinar in mehrere Module unterteilt. Installateure konnten also bei Bedarf das Seminar zeitlich entzerren.

Der Konferenzveranstalter Conexio hat das jährliche Symposium Solarthermie im Mai als Webkonferenz durchgeführt. Die Organisatoren konnten durch den entfallenen Reiseweg – normalerweise findet das Symposium in Bad Staffelstein statt – die Teilnehmerzahl sogar maßgeblich erhöhen. Dabei hat das Conexio-Team das Programm an die neuen Umstände angepasst und einen politischen Abend organisiert.

Selbst das Netzwerken, das auf Konferenzen eine besonders große Rolle spielt, ist online praktikabel. Conexio hat es seinen Kunden direkt vom heimischen Schreibtisch aus ermöglicht. Die Experten kamen über Chatroom-Funktionen und Matchmaking-Instrumente abseits der Vorträge miteinander ins Gespräch.

 

Was ist mit Messen?

Am härtesten trifft Corona die Messebranche. Aber die Hannover Messe und Co. sind nicht so einfach mit einem einzigen digitalen Format zu ersetzen, weil die Aussteller umfangreiche und diverse Ziele verfolgen. Sie möchten vor allem neue Kunden gewinnen und ihre Produkte präsentieren. Gleichzeitig pflegen sie ihre Stammkundschaft und versuchen die Bekanntheit des Unternehmens zu erhöhen oder allgemein das Image zu verbessern. Es gibt keine Veranstaltung im Internet, die all diese Funktionen auf einmal übernehmen kann.

Messeveranstalter können ihr Geschäftsfeld jedoch durch digitale Instrumente erweitern und so krisensicherer werden. Auf vielen Events hat eine App bereits das klassische Ausstellerheft abgelöst. Aber Apps lassen sich für mehr als nur einen digitalen Ausstellungsplan verwenden. Für Unternehmen können sie als zentrales Networking-Tool dienen, weil sie darüber DSGVO-konform Nachrichten an Besucher senden. Benutzer könnten die App zum Beispiel auch nach der Messe zur Hilfe nehmen, um einen neuen Arbeitgeber in ihrer Branche zu finden. Wenn so Unternehmen und Besucher die App auch außerhalb der Messezeit nutzen, kann der Veranstalter daraus mittelfristig eine exklusive Community machen.

Messeveranstalter haben zudem einen reichen Datenschatz, weil sie über das Jahr hinweg zahlreiche Veranstaltungen anbieten. Sie können für Unternehmen durch Trusted-Targeting daraus exklusive Zielgruppen ermitteln. Sie erreichen dank ihrer präzisen Informationen die Adressaten der Kunden fast ohne Streuverlust. Dieses Instrument ist auch für Unternehmen attraktiv, die keine Aussteller sind. Daher können Veranstalter mit diesem Service das ganze Jahr über Einnahmen erzielen.

 

Hybride Angebote für die Zukunft 

Spannend ist die Frage, welche Services weiter bestehen werden, wenn es keine Einschränkungen mehr im öffentlichen Leben gibt. Doch schon jetzt sehen wir: Im Zuge der Krise haben Unternehmen, Kunden und Verbandsmitglieder die Vorteile digitaler Formate schätzen gelernt. Vorträge auf einer Konferenz oder einem Seminar im Remote-Modus kommen sehr nah an die Qualität der Veranstaltungen vor Ort heran, auch wenn sie diese nicht gänzlich ersetzen können. Wenn Unternehmen und Veranstalter sich auf die Bedürfnisse der Zielgruppe ausrichten, können auch in Zukunft Angebote im Internet sogar sinnvoller sein als Vor-Ort-Termine. Es bietet sich besonders an, wenn man einen neuen Service ausprobieren, aber Kosten und wirtschaftliches Risiko begrenzen möchte. Dank der Zufriedenheit der Kunden mit der Qualität von Remote-Veranstaltungen können Veranstalter berechtigterweise in Zukunft dafür einen entsprechenden Ticketpreis fordern.

Die starke Zustimmung für die neuen Formate können Unternehmen außerdem dazu nutzen, hybride Formen an den Kunden zu bringen: also digitale Veranstaltungen mit Vor-Ort-Terminen zu kombinieren. Wenn man die Bedürfnisse der Zielgruppe sehr gut kennt, lässt sich zum Beispiel eine Veranstaltungsreihe in Remote- und Vor-Ort-Termine sinnvoll unterteilen. Unternehmen können auch einmalige Events zweckmäßig in hybrider Form durchführen. Der Organisator teilt dazu den Teilnehmerkreis in einen physischen und einen digitalen ein. Das Webformat erhöht die Reichweite der Veranstaltung, während ein Teilnehmer vor Ort mehr Exklusivität genießt.

Beide Formate werden auch nach der Krise ihren Platz haben, weil sie sich gegenseitig gut ergänzen. Aber Unternehmen und Veranstalter sollten es in Zukunft verstärkt nutzen, dass Kunden die Qualität digitaler Formate schätzen gelernt haben.


Der Autor

Simon Behnisch – immer ein Auge für aktuelle Technik- und Branchentrends